Ein Semester in Paris

Timo Mahringer (B.Sc. Technische Kybernetik) verbrachte seinen Auslandsaufenthalt an der ECE Paris. Hier erzählt er von seinen Erfahrungen.

Für mich persönlich war trotz oder gar gerade wegen Corona das Auslandssemester ein voller Erfolg.

Timo Mahringer

Wie verlief Ihr Studium im Ausland? Welche positiven oder auch negativen Erfahrungen haben Sie gemacht?

Wo soll ich anfangen und wo aufhören - Corona hat das Auslandssemester völlig verändert, sowohl ins Positive, als auch ins Negative: Für mich stand fest, auf jeden Fall gehen zu wollen. Aufgrund einer Stammzellenspende habe ich den Plan bereits um ein Semester verschoben (zum Glück, sonst wäre ich völlig unvorbereitet im ersten Lockdown gelandet). Meine Studiensituation war perfekt und anders hätte es nicht mehr gepasst. Aufgrund meiner Französischkenntnisse habe ich keine Angst gehabt, auch mit unerwarteten Situationen konfrontiert zu werden. Ich kenne Paris bereits relativ gut und ein paar Freunde von mir leben dort. Es war also eher ein Besuch und vieles bereits wohlvertraut. Die Stadt aber ohne Touristen zu sehen ist eine Sensation, man kann in Ruhe vor dem Eiffelturm seine Mittagspause verbringen, gemütlich durch die Stadt ziehen ohne ständig umgerannt zu werden. Eine Erfahrung, die ich (hoffentlich) nie wieder machen werde, die aber unbeschreiblich schön ist. Gleichzeitig war das Auslandssemester eine Flucht vor den Onlinevorlesungen in Stuttgart, bei denen es mir schwerfällt, den ganzen Tag lang auf den Bildschirm starrend zu folgen - völlig ohne Interaktion. In Frankreich wurde auch viel online unterrichtet, aber wenigstens ein Tag pro Woche war vor Ort - bis der zweite Lockdown kam. Ansonsten war durch die vielen Abgaben in Teamarbeit immer eine Abwechslung da. Vorbereitet auf den Lockdown habe ich dann angefangen Italienisch zu lernen und andere Dinge getan, die ich schon immer mal machen wollte.

Für mich persönlich war trotz oder gar gerade wegen Corona das Auslandssemester ein voller Erfolg. Durch persönliche Kontakte konnte ich am gesellschaftlichen Leben weiterhin teilhaben. Wer hingegen unbedingt das Auslandssemester-"Feeling", mit ganz vielen Austauschstudenten aus aller Welt, vielen Parties, vielen Ausflügen etc. sucht, dem/der rate ich zu Zeiten von Corona eher davon ab. In normalen Zeiten (wenn die hoffentlich wieder annähernd da sind, wenn dieser Bericht gelesen wird), kann ich Paris nur empfehlen.

Wie viele und welche Kurse haben Sie besucht? Wurden die Kurse an der Universität Stuttgart angerechnet?

Man kann an der ECE Paris nur eine Fachrichtung wählen, die Fächer sind dann fix (ist eben eine Schule), man kann jedoch hier und da zwei/drei Nebenfächer/Sprachkurs selbst wählen. Ich selbst habe alle vorgesehenen Kurse bis auf einen besucht, also 27,5 ECTS, wobei das deutlich mehr Aufwand als in Deutschland ist, da die (Zwischen-) Klausuren in der letzten Vorlesungswoche geschrieben werden. Anrechnen lassen werde ich nichts davon, da ich meinen Bachelor (bis auf die Bachelorarbeit) bereits fertig habe und keine Fächer anrechnen lassen könnte (selbst wenn ich das wollte).

Wie ist der Ablauf der Kurse?

Ähnlich wie an einer Schule, zwei Fächer am Tag, je 3h, erst Theorie, dann Praxis, Fächer wie Team-Management, Projektmanagement kommen dazu. Je nach Semester wird ein Projekt (PPE) der Studierenden erstellt, wodurch dann Sprintwochen entstehen, an denen nur an dem Projekt gearbeitet wird.

Nennen Sie positive und negative Eigenschaften Ihrer Gaststadt und Ihres Gastlandes.

Gutes Essen, viel bessere Infrastrukturen als in Deutschland (ein PCR-Test geht z.B. einfach ohne Anmeldung an ganz vielen Labors in der Stadt verteilt, klasse Schienennetz, super Internetausbau…), wahnsinnig reichhaltige Geschichte, viele einwandfrei erhaltene historische Gebäude/Kunstwerke, lyrische Sprache, pragmatische und sehr offene Lebenseinstellung vieler Bürger, keinen Putzfimmel wie in vielen deutschen Haushalten, als EU-Mitglied hat man es dort relativ leicht als Deutscher. Nicht so toll sind die hohen Lebenshaltungskosten, eine etwas misslungene Corona-Politik, generell eine etwas stärker aufgeladene Spannung was Politik angeht, viel Bürokratie, da ist sogar Deutschland teilweise besser.

Welche Tipps können Sie für die Freizeitgestaltung geben?

Da ich in Paris war, würde ich gerne einfach auf die klassischen Touristenführer verweisen. Kleiner Tipp: Einwohner oder Klassenkameraden fragen, wo es tolle Bars, Bürgerprojekte (wie ein selbstverwaltetes Sport- und Erholungsterrain  direkt neben dem bekannten Friedhof Père Lachaise), Szenenviertel, kleine Ruheoasen etc. gibt. Das steht nirgends in diesen Büchern.

Welche Empfehlungen können Sie zur Finanzierung des Auslandsaufenthaltes geben?

Viel Erspartes frühzeitig lockern. Die Pauschale von 390€ im Monat reicht lange nicht aus. Mit einer Miete von mindestens 700€/Monat muss gerechnet werden (in Paris und Umgebung). Die Lebenshaltungskosten sind sehr hoch (Nahrung ist teuer, aber von guter Qualität). Viele Vermieter (auch private) verlangen teilweise bis zu 3 Monate Miete im Voraus plus Kaution von etwa einem bis zwei Monaten, kommerzielle Anbieter benötigen häufig sehr viele Informationen (z.B. Einkommensnachweis der Eltern oder Bürgschaften). Der Anfang vom Austausch ist deshalb richtig teuer, dann wird es besser. Tipp: die französische Familienkasse gewährt Zuschüsse zur Miete auch für Ausländer, Stichwort APL. Das Beantragen setzt aber gute Sprachkenntnisse voraus, bzw. die Buddies können helfen. Zu Zeiten von Corona war ein Erscheinen direkt im Amt leider nicht möglich, was Studierenden mit geringeren Sprachkenntnissen bestimmt geholfen hätte.

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